Quelle: Saarbrücker - Zeitung (Veröffentlicht am 22.01.2014)
Spielerberater Nickolay spricht vor dem Derby über seine besondere Beziehung zum FCS und die aktuelle Entwicklung in Elversberg
Saarbrücken. Guido Nickolay, der Geschäftsführer der Spielerberater-Agentur soccer and more, hat im Saarland einen zweifelhaften Ruf. Viele sehen in ihm sogar den heimlichen Sportdirektor des 1. FC Saarbrücken. Vor dem mit Spannung erwarteten Saarderby in der 3. Liga zwischen der SV Elversberg und dem 1. FC Saarbrücken an diesem Samstag hat SZ-Redakteur Michael Kipp mit ihm gesprochen – vor allem über das „Klientenfest“ an der Kaiserlinde.
Henrich Mchitarjan 27,5 Millionen Euro, Mario Götze 37 Millionen Euro Ablöse – Papiss Demba Cissé, ein Spieler aus Ihrem Portfolio, wechselte 2012 für zehn Millionen von Freiburg zu Newcastle United. Droht der Fußball sich von der Realität zu entkoppeln?
Guido Nickolay: Dieser Meinung bin ich nicht. Klar, der Fußball ist eine Branche, in der unglaubliche Summen bewegt werden – im Einnahmen- wie Ausgabenbereich. Transfers, Werbung, neue Medien, Trikotverkauf, TV-Einnahmen, Sponsoring, tolle Stadien mit vermarktbaren Vip-Logen. Dennoch ist der Fußball in Deutschland kein Subventionsgeschäft und bietet darüber hinaus der Allgemeinheit einen ganz besonderen Sport. Ich kann mich auch an keinen großen deutschen Club erinnern, der in den vergangenen Jahren in eine Insolvenz musste oder in großartigen Zahlungsschwierigkeiten war. Der Markt funktioniert. Auch in der Realität.
Wieso regen sich die Menschen über Banker-Boni auf – und nie über Millionengehälter von 20-jährigen Fußball-Profis?
Nickolay: Neid und Missgunst ist leider vielen Deutschen in die Wiege gelegt. Diesen Neid gegenüber Fußballern habe ich aber auch noch nicht wirklich verspürt. Das hängt wohl mit der emotionalen Bindung der Fans zu den Spielern zusammen. Die haben sie zu ihrem Banker ja nicht.
„Scheiß Millionäre“ singen die Fans aber auch mal.
Nickolay: Sie sind aber nicht so nachtragend. Bei den Bankern schon eher.
Mit dem Studium der Betriebswirtschaftslehre waren Sie auf einem guten Weg zu einem seriösen Job . . . jetzt sind Sie Spielerberater. Eine Berufsklasse, die immer noch den Ruf halbseidener Geschäftemacher hat. Zurecht?
Nickolay (lacht): Wie in jeder Branche gibt es auch bei uns schwarze Schafe. Ich behaupte sogar: Mehr als in den meisten anderen Branchen. Wir sind seit 20 Jahren im Geschäft. Und das wären wir nicht, wenn wir unseriös arbeiten würden. Eigentlich bin ich für jeden Unseriösen dankbar, sie machen mir mein Geschäft leichter.
Stört Sie das Bild nicht?
Nickolay: Schon. Aber unseriöse Geschäfte gibt es überall. Vielleicht ist unser Berufsbild einfach nur so schlecht, weil die Fußballbranche so populär und damit transparent ist. Da wird natürlich über jede unseriöse Geschichte groß berichtet und findet ein großes Publikum.
Ihre Agentur soccer & more gehört laut der Finanzzeitschrift Capital zu den Top 5 der Spieleragenturen in Deutschland.
Nickolay: Es ist nicht unser Bestreben, den Markt zu beherrschen. Wir wollen mit unseren Partnern vernünftige Geschäfte machen. Natürlich ist jeder an Wachstum interessiert, an einem besseren Geschäft, aber nicht um jeden Preis.
Wie sieht Ihre Beratungs-Philosophie aus?
Nickolay: Wir wollen keine Glocke über die Spieler stellen, sie gleichschalten oder gleichzüchten. Das machen andere. Das können sie auch machen. Das ist auch eine Philosophie. Wir wollen das Individuelle des Spielers beibehalten.
Es gibt also keine einheitliche Beratung?
Nickolay: Sie ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Wir sind auch eher ein Abruf- als ein Beratungsgeschäft. Der Spieler sagt uns, was er will. Wir bieten vieles selbst an, aber wir können nicht alles. Wir sind keine Finanzberatung, kein Zahnarzt und kein Friseur. Aber wir haben Erfahrungswerte aus 20 Jahren – daher können wir seriöse Dienstleister weiterempfehlen. Was der Spieler wünscht, bekommt er auch.
Ihr betreibt ein Provisionsgeschäft – und verdient an Gehältern und/oder Transfersummen mit?
Nickolay: An Transfersummen äußerst selten. Wenn man an der Entwicklung des Spielers beteiligt ist, ihn seit der Jugend begleitet hat, gibt es zwar Möglichkeiten, an einem Transfer mitzuverdienen. Aber ganz selten. In der Regel basiert unser Provisionsgeschäft auf den jährlichen Einnahmen von Fußballern. Bezahlt werden wir übrigens vom Verein, da er uns mit der Herbeiführung eines Arbeitsvertrages beauftragt hat.
Laut transfermarkt.de hat Ihre Agentur 119 Spieler im Portfolio, Marktwert 103 Millionen Euro?
Nickolay: Das sind Zahlen, die täglich wechseln. Und die auch nicht so wichtig sind. Das sind auch nicht die Spieler der Firma oder der Person Guido Nickolay. Wir haben zehn bis 15 freie Berater beschäftigt. Jeder hat seine Spieler, die er nach unserer Philosophie berät.
Soccer and more stellt also das Know-how und das Equipment zur Verfügung - ähnlich einem Franchise-Unternehmen?
Nickolay: So kann man es sagen. Wir kooperieren mit Beratern in ganz Europa. Da sind einige schon lange Jahre dabei. Manchmal ändern unsere Mitarbeiter auch ihre Philosophie. Dann trennen wir uns. Wir wollen nicht um jeden Preis expandieren.
Sie sind derzeit sehr engagiert in der 3. Liga, haben in Elversberg laut transfermarkt.de 15 Spieler unter Vertrag, beim FCS elf. Das Derby am Samstag ist quasi ein Mitarbeiterfest?
Nickolay (lacht): Eher ein Klientenfest. Aber ernsthaft: Die Anzahl der Spieler ist nicht so entscheidend, das schwankt natürlich auch. Jeder Spieler hat zudem seine eigenen Interessen.
Anderen scheint das aber wichtig?
Nickolay: Selbstverständlich ist es eine besondere Aufgabe, vor der Haustür den Markt zu bedienen. Aber für uns ist es doch auch das einfachste Geschäft. Wir haben hier zwei Vereine, mit denen wir hervorragend zusammenarbeiten. Und die spielen nun gegeneinander. Aber das ist bei anderen Agenturen und regionalen Vereinen auch so. In der Branche ist das kein Thema. Denjenigen, die sich darüber aufregen, fehlt es an Branchenkenntnis.
Sie standen als FCS-Fan im A-Block im Ludwigspark, ehe sie Ihre Berater-Karriere aufnahmen. Die bekam beim Zweitliga-Abstieg 2004 erste Macken, spätestens 2007 galten Sie gemeinsam mit Hartmut Ostermann als Totengräber des Vereins. Sie hätten sich nur eine goldene Nase verdienen wollen, transferierten zweifelhafte Spieler nach Saarbrücken. Am Ende standen drei Abstiege und die Oberliga. Wie sehr haben Sie diese Vorwürfe getroffen?
Nickolay: Sehr. Wirklich sehr. Mir ist in der Stadt ganz schön viel Hass entgegen gepfiffen. Und das wegen der Halb- und Unwissenheit einiger Leute, die uns unwahre Dinge unterstellten – sie uns aber noch nie ins Gesicht gesagt haben.
Wie weit ging der Hass?
Nickolay: Ich wurde bedroht. Auch körperlich. Auch meine Frau. Das war eine sehr, sehr schwere Phase. Ich habe mich in dieser Zeit einigen Fanclubs gestellt, aber das ging nicht bei jedem. Die eine Geschichte ist das Geschäft, die andere die Emotion. Das war schlimm. Auch wegen Hartmut Ostermann.
Wie stehen Sie zu ihm?
Nickolay: Er ist ein sehr guter Freund und ein langjähriger Geschäftspartner. Und wenn man mir unterstellt, dass ich meinen Verein und meinen Freund ausgenutzt haben soll, ist das doch absurd. Mir wurde damals unterstellt, ich hätte viel Geld an den Abstiegen verdient, an der Ablösefreiheit der Spieler. Das ist Blödsinn und eher ein Indiz dafür, dass die, die das sagen, keine Ahnung vom Geschäft haben. Zusammengefasst: Mir geht es am besten, wenn es den Clubs vor meiner Haustüre gut geht.
Als Ostermann 2007 zurücktrat, waren auch Sie nahezu aus dem Verein raus. Anfang dieser Saison meldeten Sie sich via Facebook und unterstellten dem FSC unfähige Personalpolitik. Warum?
Nickolay: Dieses Bild des bösen Spielerberaters wurde 2004 das erste Mal und 2007 das zweite Mal gezeichnet. Für viele ein schlüssiges Bild. Damals hatte ich mich auch nicht gewehrt. Im Sommer 2013 ging es aber wieder los. Die FCS-Spieler Manuel Stiefler und Lukas Kohler verlängerten nach wochenlangen Verhandlungen ihre Verträge nicht. Wir vertreten beide Spieler und wissen, wie diese Verhandlungen gelaufen sind. Und plötzlich sollen wir wieder die Schuldigen gewesen sein. Da habe ich mich via Facebook gewehrt. Und offensichtlich auch aufgerüttelt. Danach ist ja einiges passiert im Verein. Ich glaube, ich habe dem Verein nicht geschadet.
Präsident Paul Borgard ist weg, Aufsichtsrats-Chef Reinhard Klimmt auch, mit Vize-Präsident Harald Ebertz ist nur noch einer im Amt, der mit Ihnen vor der Saison auch über die genannten Spieler verhandelt hat.
Nickolay: Ich will jetzt nicht über einzelne Personen groß reden, aber Herr Klimmt ist ein ganz verdienter Mann. Er hat große Verdienste für und um den FCS. Die muss man honorieren. Dass wir nicht immer einer Meinung waren, ist doch okay.
Und Herr Ebertz?
Nickolay: Eines sollte die Öffentlichkeit vielleicht mal wissen: Ich war sein Berater, als er noch Spieler war. Heute ist er Vizepräsident des Vereins und müsste daher auch die Bücher kennen. Darin findet er Belege dafür, dass unsere Agentur für die Abstiege ihre Mitverantwortung übernommen hat. Dabei will ich es jetzt auch belassen.
Sie haben dem FCS Geld geschenkt?
Nickolay: Das war ich dem Verein, den Menschen und vor allem Hartmut Ostermann schuldig.
Seit Ostermann und Sasic im Amt sind, spielen Ihre Spieler wieder eine Hauptrolle beim FCS. Sie gelten als heimlicher Sportdirektor. Steigt der FCS ab, werden Sie der größte Buhmann sein. Warum gehen Sie dieses Risiko ein?
Nickolay: Der 1. FC Saarbrücken befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Er ist personell nicht sehr breit aufgestellt. Der Präsident hat unsere Agentur beauftragt, als Dienstleister eine Liste an Spielern abzuarbeiten, die Milan Sasic zusammengestellt hat. Also haben wir telefoniert, uns mit Spielern und deren Beratern getroffen. Nicht alles hat funktioniert, aber vieles. Wir haben den Auftrag zu helfen, dass der FCS nicht absteigt. Dafür haben wir hart gearbeitet.
Auf dem Personal-Tableau hat sich einiges getan.
Nickolay: Ich bin fest davon überzeugt, dass kein Branchenfremder solch ein Portfolio an Neuzugängen geliefert hätte, wie wir das jetzt getan haben. Als branchenfremd bezeichne ich Menschen, die noch nie im professionellen Fußball Geschäfte gemacht haben. Im Vorstand des FCS sehe ich da übrigens keinen, der das machen könnte.
Sie sollen auch einen Beratervertrag in Elversberg haben.
Nickolay: Schwachsinn. Ja, wir haben viele Spieler bei der SVE. Wie es dazugekommen ist? Dazu müssten Sie Präsident Dominik Holzer befragen. Der hat vor geraumer Zeit gesagt: Es gibt eine der größten Sportmarketing-Agenturen fußläufig von uns, wir kommen mit dem Typen, der das dort strickt, gut zurecht, warum nutzen wir die nicht? Und wir haben gesagt: Da ist ein Verein mit einer jungen, pragmatischen Vereinsführung, die offen für neue Ideen ist. Warum also nicht?
Mit welchem Erfolg?
Nickolay: Zuvor ging es viele Jahre hoch und runter bei der SVE. Ich denke, unsere Hilfe hat sich mit dem Aufstieg ausgezahlt, an dem viele unserer Spieler großen Anteil hatten. Auch hat der SVE Roland Benschneider sicher sehr geholfen. Er war als aktiver Fußballer unser Klient und hat über die Reha-Maßnahme der Berufsgenossenschaft zwei Jahre als kostenloser Praktikant für die SVE als Sportdirektor gearbeitet. Danach hauptamtlich.
Und hat Ihr Wissen dazu benutzt?
Nickolay: Er hatte eh schon gute Kenntnisse, da er selbst Erstligaprofi war, viele Vertragssituationen bereits kannte. Natürlich hat er hier auch viel Wissen abgesogen, das war aber jedem bewusst. Damit kamen immer alle zurecht, letztlich endete es ja im Aufstieg. Dass wir daran unseren Anteil haben, macht uns auch stolz. Einen Beratervertrag haben wir aber nicht, wir bekommen dort ganz normal unsere Provisionen.
Benschneider wurde freigestellt. Er und Trainer Dietmar Hirsch kamen nicht miteinander klar. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Zusammenarbeit mit der SVE?
Nickolay: Gar keinen. Benschneider war ja nur ein Teil. Wir haben dort immer noch eine Menge Spieler, die weiter am Erfolg der SVE arbeiten wollen und sollen. Auch, dass einige unserer Spieler aussortiert wurden, spielt für unsere Zusammenarbeit keine Rolle. Sie wird weiterhin gut sein.
Zu viele Spieler eines Beraters in einem Verein führen zu Problemen, ist eine Bauernregel aus dem Fußball. Eine dumme Regel?
Nickolay: Würde ich schon sagen. Probleme führen zu Misserfolgen, und Misserfolg kann gar keiner brauchen. Der Verein nicht, der Spieler nicht und auch der Berater nicht. Übrigens: Als Elversberg aufgestiegen ist, hat sich niemand dafür interessiert, wieviele Spieler bei uns sind.
Zu wem Sie am Samstag halten, müssen wir nicht fragen?
Nickolay (grinst): Nein.
Zum Thema:
Diese Spieler stehen bei der Berateragentur „soccer and more“ aus Saarbrücken unter Vertrag (Stand gestern, 17 Uhr):SV Elversberg: Alexander Buch, Frederick Kyereh, Salif Cissé, Kevin Feiersinger, Felix Dausend, Bryan Mélisse, Sebastian Wolf, Lukas Billick, Morten Jensen, Daniel Jungwirth, Chris Wolf, Bernard Itoua, Nico Zimmermann, Dominik Rohracker und Gianni Gotthardt.1. FC Saarbrücken: Jaron Schäfer, Maximilian Rupp, Artur Schneider, Florian Ballas, Philipp Hoffmann, Julien Humbert, Michael Müller, Tim Stegerer, Lukas Kohler, Manuel Zeitz und Patrick Schmidt. kip
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