Quelle:
www.kicker-online.deInterview: Bernd Staib
Seit Saisonbeginn ist Michael Wiesinger Trainer beim Südwest-Regionalligisten SV Elversberg. Am Samstag treten die Saarländer zum Topspiel beim SV Waldhof Mannheim an. Erster gegen Zweiter, die vor der Saison zugewiesene Favoritenrolle konnte die SVE bisher bestätigen. Im Interview mit dem kicker spricht der 42-Jährige über den Aufstieg, den Kader und die Rolle als "FC Bayern der Regionalliga Südwest".kicker: Der SV Waldhof oder Ihre Mannschaft, gibt es einen Favoriten am Samstag?
Michael Wiesinger (42): Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, mit unseren personellen Problemen sehe ich uns nicht als klaren Favoriten. Die Mannheimer haben jetzt eine Euphorie entwickelt, dazu kommt die etwas heißere Stimmung im Stadion, die für meine Spieler noch ungewohnt ist. Es werden auf jeden Fall sehr interessante 90 Minuten.
kicker: Auf was wird es in Mannheim konkret ankommen?
Wiesinger: Wir werden nicht ins Messer laufen, brauchen einen kühlen Kopf. Wir müssen wieder gut stehen, gut verteidigen. Je länger wir die Null halten, desto größer ist unsere Siegchance. Das gilt nicht nur für das Waldhof-Spiel, sondern für alle Duelle in dieser Liga. Das müssen wir wieder reinkriegen.
kicker: Zuletzt setzte es für Ihre Mannschaft Auswärtsniederlagen in Worms und Spielberg, die im hinteren Bereich der Tabelle zu finden sind. Sieht auf den ersten Blick nach Überheblichkeit aus.
Wiesinger: Worms war gut, die Niederlage in Spielberg war schwer zu verkraften. Die Verhältnisse dort sind nicht einfach, aber das muss man abstreifen können. Spielberg war, wie alle unsere Gegner in dieser Liga, hochmotiviert. Ich habe meine Mannschaft versucht, darauf gut vorzubereiten, aber so etwas kann man im Training schwer simulieren. Klar ist, dass wir für solche Spiele Lösungen finden müssen. Ich wehre mich aber dagegen, dass meine Mannschaft zwei Gesichter hat und manche Partien zu locker angeht. Wir versuchen, die Mentalität dieser Mannschaft zu verändern, das bleibt ein Prozess. Dazu gehören solche Partien wie in Spielberg.
kicker: Elversberg gilt, nicht zuletzt auch wegen der finanziellen Möglichkeiten, als Topfavorit im Südwesten.
Wiesinger: Der Verein hat zu meinem Amtsantritt das Ziel 3. Liga in zwei Jahren ausgegeben. Ich gehe dieses Ziel sehr offensiv an und will schon in dieser Saison aufsteigen. Diese Drucksituation baue ich auf, ich glaube an die Stärke dieser Mannschaft. Aber ich weiß natürlich, dass man auch nicht überziehen darf und locker bleiben muss. Allerdings ist das in dieser engen Liga schwierig. Wir dürfen uns keine Schwächephase erlauben, vom Gefühl her gibt es jede Woche ein Endspiel, egal gegen wen.
kicker: Elversberg gilt als FC Bayern der Regionalliga Südwest. Wie gehen Sie damit um?
Wiesinger: Man liest das ja in jeder Stadionzeitung, "Heute zu Gast der Liga-Krösus". Das ist natürlich gefährlich, wenn man anfängt, so etwas zu glauben. Für uns alle, mich eingeschlossen, gibt es Gründe, warum wir in der Regionalliga arbeiten. Wenn man sich mit dem FC Bayern vergleichen will, dann kann man sich abschauen, wie hart sie dafür arbeiten, um so zu spielen, wie sie das momentan tun. Wenn man sieht, wie sie gegen den Ball arbeiten, 30 Meter im Vollsprint nachsetzen, dann kann man das gerne nachahmen.
kicker: Wird für das Aufstiegsziel im Winter nachgerüstet?
Wiesinger: Zunächst einmal: Wir sind Zweiter, haben 35 Zähler, der Punkteschnitt ist gut, die Qualität des Kaders hat sich damit bestätigt. Aber natürlich analysieren und hinterfragen wir. Wir können investieren, die Möglichkeiten dazu haben wir. Ich denke aber auch in die Richtung, den Kader zu verjüngen. Wir brauchen auch mehr junges Blut, um den Laden hier weiter anzuschieben.
kicker: Elversberg als Sprungbrett für Talente. Wie passt das zusammen mit dem klar formulierten Erfolgsanspruch?
Wiesinger: Sehr gut, denn die Talente, die wir im Blick haben, wollen ihre Spielpraxis eigentlich in der 3. Liga sammeln. Deshalb ist es ein Spagat, junge Spieler zu überzeugen, zu uns in die Regionalliga zu kommen. Trotzdem bauen wir den Druck auf, dass es hier nur um den Aufstieg geht.
kicker: Ihr früherer Mannschaftskollege Stefan Effenberg stieg als Trainer beim SC Paderborn ein. Was halten Sie davon?
Wiesinger: Effenberg war ein überragender Spieler, aber ich finde, als junger Trainer braucht man eine solche Station. Die 2. Liga ist hartes Brot, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es war eine mutige Entscheidung von Effenberg, aber er steht ja für diesen Mut. Er kann jetzt beweisen, dass er ein nachhaltig arbeitender, guter Trainer ist.
kicker: Ihr Vertrag in Elversberg läuft bis 2017. Wie sieht Ihre Karriereplanung aus?
Wiesinger: Ich habe hier eine ideale Konstellation nach meiner Zeit in Nürnberg gefunden. Ich begleite ein Projekt, das war mir erst mal wichtiger, als die Frage, in welcher Liga das stattfindet. Nach meiner Zeit beim Club (Entlassung als Bundesliga-Trainer im Oktober 2013, d. Red.) kann ich hier mein Profil wieder schärfen. Die Leute hier sind auf Erfolg getrimmt, das bin ich auch. Aber eine konkrete Karriereplanung liegt da nicht dahinter.