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http://www.dfb.de/Die Überraschung war groß, als Aufstiegstrainer Jens Kiefer nach vier Spieltagen bei der SV Elversberg zurücktrat. Die Doppelbelastung als Chefcoach und Teilnehmer des Trainerlehrgangs war ihm zu groß. Als Nachfolger wurde Dietmar Hirsch verpflichtet. Der 41-Jährige spielte als Profi unter anderem bei Borussia Mönchengladbach und Hansa Rostock. Als Trainer ist Elversberg seine erste Profistation.
In den ersten beiden Spielen holte Hirsch gleich sechs Punkte. Am vergangenen Spieltag erlebte der Fußball-Lehrer die erste Niederlage in der 3. Liga, ein 0:2 bei Rot-Weiß Erfurt. Heute (ab 14 Uhr) soll dieser Rückschlag im Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden ausgebügelt werden. Im DFB.de-Interview spricht Dietmar Hirsch mit Mitarbeiter Oliver Jensen über die ersten Eindrücke von seiner Mannschaft, die baldige Rückkehr in das umgebaute Stadion und über eine frühere Entlassung mit merkwürdiger Begründung.
DFB.de: Herr Hirsch, nach zwei Siegen gab es vergangenes Wochenende in Erfurt ein 0:2. Nach dem Spiel sprachen Sie von mangelnder Aggressivität. Warum hat Ihre Mannschaft nicht alles gegeben?
Dietmar Hirsch: Das hängt möglicherweise mit der Trainingsintensität zusammen. Wir haben vor dem Spiel eine Woche sehr umfangreich gearbeitet. Bei den zwei Siegen zuvor hatten wir englische Wochen, in denen lediglich taktisch gearbeitet wurde. Möglicherweise fehlte diesmal die Frische. Meine Spieler müssen sich vermutlich erst noch an meine Trainingsintensität gewöhnen. Daher haben wir diese Woche gezielter trainiert, noch mehr Rücksicht auf die einzelnen Spieler genommen.
DFB.de: Sie haben die Mannschaft also überfordert, weil Sie die Spieler noch nicht so gut kannten?
Hirsch: Das könnte man so sagen, ja.
DFB.de: Auch unter Ihrem Vorgänger Jens Kiefer hat die SV Elversberg gute Spiele gemacht, nur keine Siege eingefahren. Wie wichtig waren die ersten Erfolgserlebnisse für die Psyche der Mannschaft?
Hirsch: Sehr wichtig. Es ist ein echter Brustlöser, wenn man die ersten drei Punkte holt. Wir wissen, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen werden. Aber wir sind so gefestigt, dass uns eine Niederlage nicht umhaut. Die Mannschaft ist intakt. Wir sind in der 3. Liga angekommen.
DFB.de: Wie groß ist der Anteil von Kapitän Timo Wenzel, der die Erfahrung aus 106 Bundesligaspielen mitbringt?
Hirsch: Er ist im Verein und im Umfeld ein sehr akzeptierter Mann. Wir sind froh, dass wir ihn haben. Aber ich erwarte, dass auch andere Spieler eine Führungsrolle einnehmen. Auch ein Timo Wenzel kann aufgrund einer Verletzung oder einer Sperre einmal ausfallen.
DFB.de: Sie haben RB Leipzig besiegt. Eine Mannschaft, die einen viel höheren Etat hat als die SV Elversberg. War das der Beweis, dass sich Ihre Mannschaft in der 3. Liga vor keinem Gegner verstecken muss?
Hirsch: Die 3. Liga ist grundsätzlich sehr ausgeglichen. Es gibt keinen absoluten Favoriten. Wichtig ist nur, dass man sich auf jeden Gegner gut einstellt und dass die Spieler das Vorhaben umsetzen.
DFB.de: Trotzdem dürfte der Sieg gegen Leipzig Mut machen, nun am Samstag auch den Tabellenzweiten SV Wehen Wiesbaden besiegen zu können.
Hirsch: Wir gucken zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf die Tabelle. Wir stellen uns auf jeden Gegner individuell ein. Natürlich wollen wir auch gegen Wiesbaden drei Punkte holen.
DFB.de: Es wird vermutlich das letzte Heimspiel im Ludwigsparkstadion des 1. FC Saarbrücken sein. Danach wird wieder in der umgebauten Elversberger Kaiserlinde gespielt. Wird das die Freude am Drittligafußball noch einmal steigern?
Hirsch: Selbstverständlich. Ich habe schon mit einigen Menschen in Elversberg gesprochen, die einfach keine Lust haben, in das Stadion in Saarbrücken zu gehen. Vermutlich werden wir im eigenen Stadion sogar noch mehr Zuschauer haben. Jeder Verein braucht seine Heimat. Unser Stadion ist nicht so weitläufig, wir haben keine Laufbahn, die Zuschauer sind nahe dran. Der ganze Verein brennt darauf, das erste Drittligaspiel in Elversberg spielen zu dürfen.
DFB.de: Lassen Sie uns ein bisschen über Ihre Laufbahn sprechen. Die SV Elversberg ist Ihre erste Trainerstation im Profifußball. Wie kam der Verein überhaupt auf Sie?
Hirsch: Ich hatte gelegentlich Kontakt zu Roland Benschneider (Teammanager in Elversberg, Anm. d. Red.). Früher haben wir sogar noch gegeneinander gespielt. Wie und warum die Wahl auf mich fiel, kann ich Ihnen allerdings nicht sagen. Viele Vereine fragen beim DFB nach Trainern an, die ein bestimmtes Anforderungsprofil erfüllen. Vielleicht war es bei mir genauso.
DFB.de: Vor kurzem noch Amateurfußball beim SV Schackendorf, nun Profifußball in Elversberg. Sind das zwei völlig unterschiedliche Welten?
Hirsch: Für mich als Trainer ist es nun viel einfacher. Ich habe viel mehr Trainingseinheiten. In der 6. Liga musste ich meinen Spielern in drei Trainingseinheiten wöchentlich das beibringen, wofür ich nun sechs oder sieben Trainingseinheiten habe. Ich kann gezielter arbeiten, das Tempo ist höher, die Trainingsqualität viel größer.
DFB.de: Ist die 3. Liga für Sie die perfekte Bühne, um sich später für höhere Aufgaben zu empfehlen?
Hirsch: Ich bin kein Trainer, der den Verein als Sprungbrett nutzen möchte. Der SV Elversberg hat mir gute Perspektiven aufgezeigt und bietet professionelle Strukturen. Wir möchten nun erst einmal den Klassenerhalt schaffen und die Entwicklung dann sportlich vorantreiben. Unser Ziel ist es, uns in der 3. Liga zu etablieren.
DFB.de: Sie waren von März 2008 bis Dezember 2009 auch einmal Sportdirektor beim VfB Lübeck. Können Sie sich eines Tages eine Rückkehr ins Büro vorstellen?
Hirsch: Nein. Die Arbeit eines Sportdirektors macht zwar ebenfalls Spaß. Aber ich bin ein Mensch, der bei Wind und Wetter auf dem Rasen stehen möchte.
DFB.de: Letzte Frage: Im Jahre 2011 waren Sie Trainer beim Oberligisten FC Sylt und wurden nach dem fünften Spieltag wegen “zu großer Professionalität” entlassen. Vermutlich sind Sie der einzige Trainer, der jemals mit so einer Begründung seinen Job verlor. Wie war das aus Ihrer Sicht?
Hirsch: Das ist tatsächlich so gewesen. Wir wollten Struktur reinbringen und in die Regionalliga aufsteigen. Der Verein hatte einen Präsidenten und Geldgeber, der das alles als Hobby sah. Er wollte bei der Aufstellung Mitspracherecht haben, wollte zudem eigene Spieler holen. Das ließ sich mit mir nicht machen. Also wurde ich entlassen.
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