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 Betreff des Beitrags: Verkehrte Welt
 Beitrag Verfasst: 12. Okt 2013, 11:59 
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Quelle: http://www.magazin-forum.de
von Patric Cordier und Dominique Rossi

Zwölf Spieltage ist die Saison in der Dritten Liga alt. So unterschiedlich die Erwartungen bei beiden saarländischen Vertretern vor dieser Spielzeit waren, so different ist auch der aktuelle Stand. FORUM zieht während der Pause eine Zwischenbilanz.

Dass der selbsternannte Aufstiegsaspirant 1. FC Saarbrücken ganz weit unten, die von vielen Experten als Abstiegskandidat gehandelte SV Elversberg aber in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen liegt, ist eine von vielen Verwunderlichkeiten nach einem knappen Drittel dieser Spielzeit. Und dass die beiden langjährigen Trainer mittlerweile nicht mehr im Amt sind, hätte zuvor wohl auch niemand erwartet.

FCS-Trainer Jürgen Luginger und Vize-Präsident Harald Ebertz hatten sich Zeit gelassen, eine Mannschaft zusammenzustellen. Beim Trainingsauftakt war der Kader gerade 16 Mann stark. Die anfängliche Sorge wich nach und nach einer gewisssen Euphorie. Timo Ochs, Nils Fischer, Thomas Rathgeber, Andreas Glockner, Philipp Kreuels, Raffael Korte, Kim Falkenberg, Maurice Deville sowie die Talente Freddy Ehrmann, Jaron Schäfer und Julian Kern sollten den FCS aus dem Mittelmaß an die Spitze bringen. Wir wollen uns im oberen Tabellendrittel etablieren“, hatte Ochs damals gesagt, aber auch: „Wichtig ist, dass wir gut in die Saison starten.“

Das ging gehörig schief. Niederlagen gegen Wehen Wiesbaden und bei Aufsteiger Kiel folgte der bislang einzige Sieg im Derby gegen Elversberg. Ein Strohfeuer, dem ein Flächenbrand folgte. Vier Punkte aus sieben Spielen waren zu wenig. Am 5. September war der Trainer wieder das schwächste Glied in der Kette. Auch wenn Ebertz erklärte, dass „es jetzt nicht darum geht, einen Schuldigen zu suchen.“ Dass Ebertz danach aus dem Türkei-Urlaub die Trainersuche vorantrieb, kam bei den Fans nicht gut an. Dass die Kommunikation beim Luginger-Rauswurf nicht klappte, veranlasste Aufsichtsratsmitglied Horst Hinschberger zum Rücktritt. Die Trainersuche verlief ebenfalls langwierig, erst spät einigten sich die Gremien auf Milan Sasic.

Turbulent ging es dann weiter. Hauptsponsor Hartmut Ostermann übernahm das Präsidentenamt vom unglücklich agierenden Paul Borgard. „Er hätte Aufsichtsratsvorsitzender oder Präsident werden können“, hatte Amtsinhaber Reinhard Klimmt der „Saarbrücker Zeitung erklärt“. Das nähere Heranrücken Ostermanns an den Verein habe aber nichts mit den fehlenden 800.000 Euro zu tun, die der FCS nicht über andere Sponsoren generieren, beim DFB in der Nachlizenzierung aber vorweisen musste. „Das war vorher schon besprochen“, so Klimmt. Der Etat bewegt sich in der Spitzengruppe der Liga – die Mannschaft ist Vorletzter. Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Auch deswegen wurde die Lücke in der Sportlichen Leitung geschlossen und mit Ex-Bundesliga-Profi Stephan Kling, 32, ein Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainerstab und Präsidium verpflichtet. Dabei hat das Team durchaus auch ansprechende Leistungen gezeigt. Das 3:1 über Bundesligist Werder Bremen war spielerisch und kämpferisch beeindruckend. Auch der 2:1-Sieg über Zweitligist Paderborn überzeugte vor dem Hintergrund der großen Personalprobleme. Die derzeitige Länderspielpause will Trainer Sasic nutzen, Defizite aufzuarbeiten, Verletzte heranzuführen und eventuell auch Neuzugänge zu integrieren: „Wer denkt, wir könnten mit Ergänzungsspielern die Liga halten, dem muss ich klar sagen: Nein. Uns muss allen klar sein, das wird ein ganz harter Weg.“ Und so schaut so manch Saarbrücker nicht nur wegen des fortschreitenden Stadion-Neubaus derzeit etwas neidisch Richtung Kaiserlinde.

Doch auch dort waren die vergangenen Wochen turbulent. Ende August hing der Haussegen beim Aufsteiger schief. Es war ein warmer Sommerabend, als die SVE fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit im Saarbrücker Ludwigspark gegen die Stuttgarter Kickers spielte. 1:1 hieß es am Ende, das Team von Trainer Jens Kiefer lieferte eine fürchterliche Leistung ab. Präsident Dominik Holzer meinte anschließend zu einer Runde von Journalisten: „Wir müssen sehen, dass wir im Winter mindestens 15 Punkte haben. Dann könnten wir personell noch mal nachlegen.“ Sieglos war die SVE zu diesem Zeitpunkt, und es sollte das letzte Heimspiel von Aufstiegsheld Kiefer gewesen sein. Die Doppelbelastung zwischen Trainingsalltag und der Ausbildung zum Fußball-Lehrer in Köln war zu groß. Wenige Tage später warf er die Brocken hin. Als Nachfolger präsentierten Holzer und Sportdirektor Roland Benschneider mit Dietmar Hirsch einen jungen Lehrgangsabsolventen. Sechs Spiele hat der frühere Bundesliga-Profi bisher als Trainer absolviert, fünf davon wurden gewonnen. Die Mannschaft ist in der Liga angekommen, spielt teilweise tollen Fußball und steht im gesicherten Mittelfeld. Nur drei Punkte trennen sie von Relegationsrang drei. Die von Präsident Holzer als Minimalziel geforderte Marke ist mit 18 Zählern bereits überschritten. „Zwischenberichte gebe ich nicht aus. Wir wollen am Ende der Saison 45 Punkte haben. Also haben wir noch eine Menge zu tun“, sagte Dietmar Hirsch nach dem 1:0 gegen den MSV Duisburg. Im Gegensatz zum Nachbarn hat Elversberg für kleines Geld groß eingekauft. „Wir haben eine Trefferquote von 80 Prozent. Das ist absolut okay“, sagt Sportdirektor Benschneider. Trainer Hirsch findet den Kader „mit 26 Spielern eigentlich schon zu groß.“ Daher soll im Winter erst einmal ausgedünnt werden, bevor nachgelegt wird. „Wir sind für die Liga gut aufgestellt, die Mannschaft hat auf jeden Fall das Potenzial, um die Klasse gesichert zu halten“, sagt Hirsch. Der Trainer-Neuling geht dabei auch schwierigen Entscheidungen nicht aus dem Weg. Er wirft Talente wie Freddy Kyereh und Salif Cissé in die Schlacht und verzichtet seit Wochen komplett auf Aufstiegsgarant Daniel Jungwirth und Königstransfer Nico Zimmermann: „Das Training ist entscheidend. Ich habe eine klare Vorstellung vom Spiel, und die müssen sie umsetzen. Nico hat eine überragende Qualität für diese Liga, aber er fremdelt mit unserem System“, sagt Hirsch und fügt hinzu: „Das werden wir aber auch noch hinbekommen.“

Überhaupt gehen die Verantwortlichen an der Kaiserlinde ziemlich unaufgeregt an die Sache. Präsident Holzer geht davon aus, „dass wir auch mal vier, fünf Spiele hintereinander nicht gewinnen und dann trotzdem nicht hektisch werden“ und Sportdirektor Benschneider sieht noch Steigerungspotenzial: „Ich glaube, dass wir noch besser Fußball spielen können. Unser Kader stand spät, einige Spieler haben zudem noch gebraucht, um sich an die Liga zu gewöhnen.“

Der frühere Junioren-Nationalspieler Muhittin Bastürk hat sich so nach schwierigem Start mittlerweile ins Zentrum gespielt: „Es läuft bei mir und dem Team. 18 Punkte sind okay, wir wollen noch mehr.“ Und langsam nimmt auch die Öffentlichkeit Notiz von der SVE. Verloren sich bei den Heimspielen im Ludwigspark nur wenige Hundert Zuschauer, so kamen zum Debüt an die halb fertige Kaiserlinde mehr als 3000 Fans. „Das ist ganz toll, das haben wir uns verdient“, sagte Offensiv-Akteur Dominik Rohracker, und Präsident Holzer pflichtet bei: „Das war wichtig, dass die Leute es annehmen.“ Das Stadion könnte zum großen Faustpfand für die SVE werden. Die hochmoderne Gegengerade wird bis Februar 2014 fertiggestellt sein, danach wird entschieden, ob Bauabschnitt zwei angegangen wird. „Die SVE steht vor einer großen Zukunft mit diesem Stadion“, glaubt beispielsweise Ex-Trainer Neale Marmon. Doch die Verantwortlichen geben sich gelassen und planen Schritt für Schritt. Präsident Holzer sieht noch Optimierungsbedarf innerhalb der Strukturen, auch der Ablauf des Heimspiels gegen Duisburg offenbarte noch einige Schwächen, auch wenn das befürchtete Chaos ausgeblieben ist. „Wir hatten zu Saisonbeginn zwei Baustellen. Die Mannschaft und das Stadion. Bei beiden wissen wir, wo wir hinwollen, und bei beiden sehen wir die Fortschritte“, sagt der 31-jährige. Das junge Elversberg-Team hat die Feuertaufe Dritte Liga bisher gut überstanden. Dies liegt auch daran, weil die Strukturen im sportlichen Bereich professionell aufgebaut sind. Entscheidungen, die die Belange der ersten Mannschaft betreffen, werden von Trainer Hirsch, Sportdirektor Benschneider und Präsident Holzer gemeinsam getroffen. Dominik Holzer tauscht sich zudem regelmäßig mit seinem Vater und Aufsichtsratsvorsitzenden Frank aus. „Der Verein gilt als Dorfclub. Aber er hat mehr Struktur und Professionalität als viele Traditionsvereine“, sagt Trainer Hirsch.


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