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 Betreff des Beitrags: „Eine Bomben-Truppe“
 Beitrag Verfasst: 9. Okt 2015, 10:21 
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Interview: Holger Schmidt

Mit Minas Hantzidis kickte ein WM-Teilnehmer an der Elversberger Kaiserlinde. In unserer Serie „Gestern Saarland – und heute“ blickt der Deutsch-Grieche auf Höhen und Tiefen bei seinem Gastspiel zurück.

Herr Hantzidis, was hat einen WM-Star wie Sie damals nach Elversberg verschlagen?
Ich habe mit dem Wuppertaler SV 2000 in einem Entscheidungsspiel gegen Elversberg gespielt. Elversberg hat gewonnen, hat sich für die Regionalliga qualifiziert und einen Tag später habe ich einen Anruf von Frank Holzer bekommen.

Wie lange haben Sie überlegen müssen, bis Sie das Angebot angenommen haben?
Ich wollte eigentlich nicht aus Wuppertal weg, wegen meines Sohnes. Doch in Elversberg hatte ich ein gutes Gefühl. Und so bin ich zwei Jahre gependelt.

300 Kilometer weit?
310 (lacht). Ich hatte natürlich eine Zweitwohnung im Saarland, aber es hat wirklich gut gepasst. Dienstag und Mittwoch hatten wir jeweils zwei Einheiten, da bin ich dazwischen manchmal dort geblieben. Montag und Donnerstag war frei, das Auslaufen habe ich alleine gemacht und dann blieb nur noch das Spiel.

Also hatten Sie schon Sonderrechte?
So würde ich das nicht formulieren. Ich habe ja alle Trainingseinheiten absolviert.

Waren Sie trotzdem so etwas wie der Star der Mannschaft?
Ich habe mich nie so gefühlt. Dieses Gefühl ist mir auch fremd. Außerdem hatten wir eine gute Truppe mit einigen Spielern, die vorher in der Ersten oder Zweiten Liga gespielt haben, wie Marek Czakon, Branko Zibert, Jens Gerlach oder auch Bernd Eichmann. Und der Trainer und der Co-Trainer auch.

Aber ein Leistungsträger waren Sie in jedem Fall.
Für mich stand der Spaß im Vordergrund, und die Zeit dort hat einfach tierisch Spaß gemacht. Vor allem im ersten Jahr. Im zweiten dann nicht mehr ganz so viel.

Weshalb?
Der Trainer war weg, ein neuer kam, und dann liefen einige Dinge anders.

Klaus Scheer war der Trainer, der kam. War es schwierig mit ihm?
Für mich persönlich nicht, ich habe mich immer auf meine Aufgabe konzentriert.

Dann anders gefragt: Was war im ersten Jahr unter Neale Marmon und Frank Holzer besser?
Wir hatten einfach eine Bomben-Truppe und haben als Aufsteiger auch einen Riesenstart hingelegt, waren zwischenzeitlich Tabellenführer. Leider haben wir diese Leistung nicht beibehalten können, weil wir doch eine ältere Truppe hatten. So haben wir am Schluss sogar noch gegen den Abstieg gespielt. Aber alles in allem war es eine Saison, die richtig Spaß gemacht hat. Im zweiten Jahr haben wir dann einfach nur mitgespielt.

Wie viel Bezug ist für Sie als Pendler zum Saarland hängen geblieben?
Schon einiges. Nach meiner Trennung im vergangenen Jahr habe ich sogar überlegt, dorthin zu ziehen. Dafür hätte ich dort aber einen Job bekommen müssen, und das hat leider nicht funktioniert.

Wo wollten Sie hinziehen? In die Region Elversberg/Neunkirchen?
Ja. Da habe ich mich am wohlsten gefühlt. Allgemein habe ich im Saarland viele nette Menschen kennengelernt und auch einige gute Freunde fürs Leben.

Auch sportlich können Ihre beiden Jahre als Erfolg gewertet werden. Der Klassenerhalt in der Regionalliga war für Elversberg damals keine Selbstverständlichkeit.
Schon, aber ich hatte schon damals das Gefühl, dass noch mehr in dem Verein steckt.

Wegen Frank Holzer? Schließlich hat nicht jeder Verein das Glück, einen Präsidenten zu haben, der sowohl Ex-Profi ist als auch erfolgreicher Geschäftsmann.
Dem kann ich nur zustimmen.

Manche nannten Holzer damals den „Beckenbauer von Elversberg“. Eine Lichtgestalt, an der man sich reiben kann, aber deren Wort Gesetz ist. Würden Sie das unterstreichen?
Ja, doch, das war schon so. Manchmal wäre es vielleicht besser gewesen, sich etwas zurückzuhalten und die Mannschaft in Ruhe zu lassen. Aber er hat selbst hoch gespielt und er hatte immer eine starke Meinung.

Mit seinem Sohn Dominik haben Sie damals zusammengespielt. Wie war er als Spieler?
Dominik war ein klasse Junge. Er hat sich durchgekämpft, obwohl er der Sohn vom Präsidenten war. Vorletztes Jahr war ich noch mal bei einem Turnier in Elversberg und habe ihn getroffen. Mitspielen wollte er aber leider nicht, was ich sehr schade fand. Ich hätte gerne noch mal mit ihm gespielt.

Heute ist Dominik Holzer selbst der Präsident. Hätten Sie das dem jungen Kerl von damals zugetraut?
Die Frage hat sich damals für mich nicht gestellt. Aber er hat sich auch als Geschäftsmann sehr gut entwickelt und einen beeindruckenden Werdegang hingelegt.

Wenn Sie sagen, dass in dem Verein mehr steckt: Was trauen Sie ihm langfristig zu? Die Dritte Liga? Vielleicht sogar die Zweite?
Ich weiß nicht, welche Zielsetzung der Verein hat. Aber die Entwicklung, die er genommen hat, ist großartig. Zu meiner Zeit spielte die Zweite Mannschaft in der Kreisliga A und auch die Jugend-Mannschaften spielten nicht sehr hoch. Nun spielt die U17 in der Bundesliga.

Daran, wie gut Sie informiert sind, lässt sich erahnen, dass diese zwei Jahre für Sie eine sehr prägende Zeit waren.
Das stimmt schon so, ja. Der Kontakt zum Verein ist etwas weniger geworden, weil dieser vor allem über Neale Marmon lief, der sich ja nun etwas zurückgezogen hat. Aber ich habe immer noch zu vielen Menschen dort Kontakt und verfolge den Verein. Ich fand es sehr schade, als er aus der Dritten Liga abgestiegen ist.

b]Was machen Sie denn heute, fast 15 Jahre danach?[/b]
Ich lebe weiterhin in Wuppertal und bin berufstätig. Im vergangenen Jahr habe ich mich überreden lassen, doch wieder was im Fußball zu machen und ehrenamtlich den griechischen Verein Hellas Wuppertal trainiert. Ich habe damit wieder aufgehört, weil sich vieles leider nicht so entwickelt hat, wie ich es mir gewünscht hätte. Das Umfeld ist nicht mitgewachsen, ich habe sehr viel Zeit reingesteckt und deshalb letztendlich sogar meinen Job verloren. Nun habe ich einen neuen und konzentriere mich voll darauf.

Hat sich Ihre Trainer-Karriere damit erledigt?
Im Schichtdienst ist es schwer, eine Mannschaft zu trainieren. Mir hat es schon Spaß gemacht, aber im Moment ist das zu den Akten gelegt.

Das Spiel an sich lässt Sie aber auch mit 49 nicht los. Beim Hallen­turnier im vergangenen Jahr in Elversberg konnte man sich überzeugen, dass Sie noch gut in Form sind.
Ich spiele auch noch regelmäßig in der Traditionsmannschaft von Bayer Leverkusen. Ich habe immer noch großen Spaß am Spielen, der Fußball ist einfach meine große Liebe.

War die Aufgabe bei Hellas Wuppertal auch deshalb etwas Besonderes für Sie, weil Sie Ihre beiden Kulturen verbinden konnten?
Das nicht unbedingt. Aber ich sah dennoch eine Aufgabe dort. Nichtdeutsche Vereine haben sehr oft einen schlechten Ruf, oft leider zu Recht. Dass es bei Hellas anders lief, war, denke ich, schon mein Verdienst. Viele Jungs, die vorher nur rumhingen, haben dank mir einen Job übernommen. Von daher habe ich mein Ziel dort erreicht.

Wie viel Grieche und wie viel Deutscher steckt eigentlich in Ihnen als in Deutschland geborener Sohn griechischer Eltern?
Das ist nach wie vor ein großes Problem. Ich bin hier der Ausländer und in Griechenland der Deutsche. Das geht eigentlich fast allen so, die hier geboren sind und ihre Wurzeln in anderen Nationen haben. Man ist mehr oder weniger heimatlos.

Man könnte es doch auch positiv sehen: Sie haben zwei Heimaten.
Ich würde es eher heimatlos nennen.

Wie sehr bewegt Sie die Finanzkrise in Griechenland? Sind Sie oft dort?
Vor wenigen Wochen hat meine Nichte geheiratet, da war ich dort. Da bekommt man natürlich Sachen mit, die auf keine Kuhhaut gehen. Aber die Menschen versuchen, damit klarzukommen. Ich versuche, mich so gut es geht da herauszuhalten. Politik hat mich nie sehr interessiert, und ich denke mir: Einer allein hat noch nie etwas verändert. Und je weniger informiert ich bin, desto weniger kann man eine Meinung von mir erwarten.

Im Alter von 21 Jahren sind Sie in die griechische Liga gewechselt. War das ein Ziel, das Sie immer hatten – um auch diesen Teil Ihrer Wurzeln kennenzulernen?
Ja, schon. Aber da wusste ich noch nicht, was mich in Griechenland erwartet (lacht). Für jemanden, der in Deutschland geboren und großgeworden ist, war das schon ein Kulturschock. Die Emotionen dort sind Wahnsinn, allein die Erfahrung eines Pokal-Endspiels vor 75.000 Zuschauern ist irre. Aber vieles andere passte vorne und hinten nicht. Deshalb bin ich dann nach elf Jahren doch wieder zurück.

1994 wurden Sie Nationalspieler, machten elf Länderspiele und waren dann wieder raus. Wieso war es so eine kurze Karriere in der Nationalmannschaft?
Dafür gab es mehrere Gründe. Ich bin nicht der Typ, der für jeden zugänglich ist.

Also hatten Sie keine Lobby?
Vielleicht kann man es so nennen. Ich hatte einfach kein Interesse, nach irgendwelchen Dingen zu funktionieren.

Ihre kurze Nationalmannschafts-Episode hatte aber einen großen Höhepunkt: Bei der WM 1994 waren Sie dabei.
Das war unglaublich. Es ist sowieso der Traum eines jeden Fußballers, für die Nationalmannschaft zu spielen. Und dann auch noch bei einer WM, das ist schon irre.

Welcher ist der Verein, der Sie am stärksten geprägt hat? Bayer Leverkusen?
Bayer und Olympiakos Piräus. Da habe ich am längsten gespielt. Als beide in der Champions League gegeneinander gespielt haben, war das ein besonderes Ereignis für mich.

Sie gehörten bei Bayer zur legendären Mannschaft, die 1988 den UEFA-Cup gewonnen hat.
Ja, aber zum Zeitpunkt der Endspiele war ich schon nicht mehr da. Damals durfte man nur mit zwei Ausländern spielen, und wenn ein Bum-kun Cha und ein Tita in der Mannschaft spielen, bist du eben der dritte. Also bin ich im Herbst nach Bochum, wo nur der Niederländer Rob Reekers gespielt hat. Aber in der Winterpause hat der VfL den Polen Andrzej Iwan verpflichtet, und ich bin nach sechs Wochen wieder gegangen, weil ich wieder in derselben Situation war. So war ich zum Zeitpunkt des Endspiels schon in Piräus. Aber ich zähle immer noch als Mitglied dieser Mannschaft.

Einer Ihrer Mitspieler bei Bayer war Falko Götz, der heutige Trainer des 1. FC Saarbrücken. Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?
Falko war ein guter Fußballer und ist ein sehr angenehmer Mensch. Wir hatten eine sehr schöne Zeit zusammen. Ich habe ihn im Mai noch gesehen, und wir haben uns kurz unterhalten. Falko geht seinen Weg, auch als Trainer.

Ihr Trainer in Leverkusen war damals Erich Ribbeck.
Ja, ein toller Mensch. Und er kommt wie ich aus Wuppertal, das hat uns zusätzlich verbunden.

Als Bundestrainer beziehungsweise Teamchef hat es bei ihm nicht so geklappt.
Leider. Er hat sein Ding gemacht, er hat es versucht, leider hat es nicht funktioniert. Manchmal hängen Erfolg und Misserfolg an Kleinigkeiten. Otto Rehhagel wäre, kurz bevor er Griechenland zum Europameister gemacht hat, beinahe rausgeflogen.

Wie haben Sie diesen Triumph 2004 verfolgt?
Ich habe es überrascht und zufrieden verfolgt und ein Bierchen getrunken. Ich freue mich natürlich immer, wenn Griechenland oder Deutschland erfolgreich sind, aber in erster Linie bin ich an gutem Fußball interessiert. Wer gewinnt, ist mir relativ wurscht.

Ihre markante Lockenpracht haben Sie immer noch. Bleibt diese ewig?
Sie passt einfach zu mir. Vielleicht kommt sie irgendwann einmal weg, im Moment glaube ich das aber nicht.

Wie oft wurden Sie deshalb schon mit Costa Cordalis verwechselt?
Verwechselt noch nicht, aber ich werde schon manchmal so genannt. Allerdings nur, um mich hochzunehmen. Aber das ist okay (lacht).


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